30.03.2021
OSTER RUHE – eine verlockende Idee
Oster-Ruhe ja, einkaufen nein, Kirchenbesuche jein, kulturelle Veranstaltungen – um Gotteswillen – nein und Oster-Ruhe eher doch besser nicht. Was für Steilvorlagen, um unseren Frust über die pandemische Situation abzuarbeiten, denn jeder von uns hat natürlich Rezepte dafür, wie es längst besser wäre, wenn man denn nur schon vor Wochen …
Ja klar. Besser wär’s, wenn‘s besser wär: wenn wir kein Impfchaos hätten, wenn flächendeckend Schnell-Testzentren funktionieren würden und – noch besser, wenn es einfach kein Corona gäbe.
Aber das eine ist rechtlich nicht haltbar, das andere organisatorisch, wirtschaftlich oder aus europäischer Sicht nicht realisierbar. So vernehmen wir zahllose Konzept-Ideen und bleiben ratlos, denn auch bei allerbestem Willen sind die Entscheidungen, die uns stufenweise in die derzeitige Lage gebracht haben, nicht alle wirklich nachvollziehbar. Doch wir werden durch stetes Diskutieren zurückliegender Versäumnisse keinen Meter weiterkommen. Frust hin und Ärger her; aus meiner Sicht bleibt nun nur mehr eine sinnvolle Frage: Was können wir tun? Jetzt tun?
Den Weg schwäbischer Kleinstädte mit Überflieger-Bürgermeister gehen, die als Einzige die Pandemie im Griff haben: Man grenze seine Insel der Glückseeligen vom Rest der Welt ab und mache sein eigenes Ding. Soweit so gut. Aber bitte nicht behaupten, dass diese Idee beispielhaft übertragbar wäre. Wie soll ein Modell, das darauf basiert, dass sich alle ganz brav an Regeln halten, Zettel fassen und dafür shoppen gehen dürfen, in Städten und Regionen funktionieren, die gesellschaftlich und sozial anders aufgestellt sind? Wo genau ist der Unterschied zwischen AMERICA FIRST und TÜBINGEN FIRST? Ach so, ja klar – das eine haben die Bösen proklamiert (und damit zweifelsfrei weltweit allergrößten Schaden angerichtet); das andere sind Modelle der Guten, die sich dafür auch sehr gerne feiern lassen. Wie schön, wenn in den historisch geprägten Einkaufszonen freilaufende, glückliche BürgerInnen Mikros vor die Masken gehalten bekommen und dann ihrer Freude darüber, ein „sooo tolles Zeichen setzen zu können“ freien Lauf lassen können. Ein „Zeichen setzen“ ist ja inzwischen die beliebteste Alternative für „Lösungen finden“ und diese auch nachhaltig umsetzen. Eine Pandemie wird aber nicht durch noch so markige Zeichen bekämpft und auch nicht dadurch, dass Deutschland eine Landschaft der Modell-Versuche wird. Der Weg aus der Pandemie geht nur gemeinsam, regional, national und auch international.
Und hier kommt nun wieder die Oster-Ruhe ins Spiel. Klar, rechtlich war sie nicht durchsetzbar und logistisch hätten sich eine Million Fragen ergeben. Und sicher sind 5 Tage auch nicht eine wirklich ausreichend lange Frist. Aber es wäre schon mal was gewesen, das positiv hätte wirken können. Und da stellt sich doch die Frage: Warum muss immer alles rechtlich abgesichert sein, oder warum wird durch eine fünftägige Pause in manchen Bereichen die Grundversorgung der Bevölkerung gefährdet? (Könnte das teilweise auch daran liegen, was wir alle ganz selbstverständlich zu unserer unabdingbaren „Grundversorgung“ zählen?) So ist bei mir der Eindruck, dass hinter jedem Baum mehr oder minder sachverständige Bedenkenträger sitzen, die – von Gruppen mit Eigeninteressen beauftragt – viel mehr Aufmerksamkeit suchen als pragmatische Problemlösungen. Doch gerade diese Lösungen werden so dringend benötigt, für die Vielzahl der Menschen, deren Existenzen ganz real bedroht sind. Warum nutzen wir also nicht einfach wieder vermehrt unseren gesunden Menschenverstand und entscheiden ganz eigenständig, auf was wir in der derzeitigen Situation sinnvollerweise verzichten, selbst wenn es nicht rechtlich verbindlich verboten ist? Und das ganz unabhängig davon, dass es möglicherweise Bereiche in der Gesellschaft gibt, die sich im Sinne des Allgemeinwohls anders entscheiden müssen.
Also akzeptieren wir doch das Notwendige. Nicht als Herde unkritischer Ja-Sager, aber als Menschen, die sich des Ernsts der Lage bewusst sind und bereit, entsprechend zu handeln.
Und ganz ehrlich – ich sehne mich nach einer „Oster-Ruhe“, bei der auf alle Interviews verzichtet wird und auch alle Quatschbuden geschlossen werden, die öffentlich-rechtlichen und die privaten – und last but not least: auch den Social-Media-Kanälen eine Pause gegönnt wird, kein Kommentieren, Posten etc. über Ostern. Und diese Ruhe eröffnet dann uns allen – auch allen politisch Verantwortlichen – den Raum, mal wieder einen Gedanken in Ruhe zu Ende zu denken. Klar, kein allzu großes Mitleid mit PolitikerInnen: Sie haben sich in die Verantwortung wählen lassen, haben Ämter übernommen und so müssen sie auch Krisen aushalten und bewältigen, auch Krisen vom Ausmaß einer Pandemie.
Und wenn wir danach immer noch zu wissen glauben, wie nachhaltige Lösungen zum Umgang mit der Pandemie aussehen, ohne regionalen Egoismus, ohne Ungerechtigkeiten bei der Impfstoff-Mangelverwaltung und auch ohne ärmere Regionen links liegen zu lassen, weil wir jetzt doch erst einmal unsere eigenen Probleme lösen müssen und nicht auch schon wieder die Welt retten können, dann können wir ja die Pandemie weiter an „Stammtischen“ aller Art bekämpfen. Oder aber, wir bleiben beieinander, quatschen nicht mehr alles reflexartig tot und öffnen nicht weiter dem Populismus jeglicher Couleur Tür und Tor. Und als Einstieg, eine etwas andere Oster-Pause: einfach mal Ruhe geben.
Genießen Sie die Tage
Ihre Cathérine Miville