Liebes Publikum!

seit dem grauenhaften Angriff der Hamas auf Israel - dem tödlichsten Angriff auf Juden seit dem Holocaust (Deborah Lipstadt) - und den markerschütternden Bildern des Terrors, kämpfen wir mit Wut, Traurigkeit und mit der Sorge, was dieser Angriff und die Reaktionen darauf für unser gesellschaftliches Zusammenleben bedeuten. Kann es eine angemessene – oder gar richtige – Reaktion des Theaters geben auf den israelisch-palästinensischen Krieg, die der Komplexität und Kompliziertheit der Lage gerecht wird? Menschlich, politisch, historisch? 

Es gibt nur eine Seite, auf die wir uns in dieser gewaltvollen Gemengelage stellen wollen: die, der uneingeschränkten Menschlichkeit.

Und da ist das Theater ein guter Platz, Menschen zusammenzubringen, sich gegenseitig in Verschiedenheit auszuhalten. Ich möchte von zwei Menschen erzählen, die seit dieser Spielzeit am Stadttheater Gießen arbeiten. Beide angehende Regisseure. Der eine ist aus dem Iran geflüchtet vor dem Regime, das es ihm unmöglich macht als Künstler frei und sicher tätig zu sein. Der andere ist russischer Jude, der kurz vor seinem Regieabschluss in Moskau Putins Russland verlassen hat, zunächst nach Israel ging, um nun hier am deutschen Stadttheater Regisseur zu werden. Die beiden arbeiten eng zusammen. Die beiden haben es verdient ohne Vorverurteilung, ohne Angst in Sicherheit hier zu leben und zu arbeiten.

Es gibt viele dieser Beispiele in unserem Haus, in dem unterschiedliche Menschen, unterschiedlicher Herkünfte, unterschiedlicher religiöser und sozialer Prägungen gemeinsam arbeiten. Das Theater kann und muss ein Zufluchtsort sein. Ein geschützter, ein freier Ort, von dem aus Impulse gesendet, Utopien erspielt werden, an dem Kontroversen in Würde und mit Respekt ausgetragen werden dürfen. An dem Klartext gesprochen werden darf.

Der israelisch-deutsche Philosoph Omri Boehm, dessen Buch „Radikaler Universalismus - Jenseits von Identität“ ich als rettende Lektüre dieser Tage nur empfehlen kann, schreibt am 16. Oktober in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Beide Seiten verweisen auf eine lange Geschichte des Opfer-Seins, aber weder Palästinenser noch Juden verkörpern irgendetwas Ultimatives, das sie berechtigt, die menschliche Würde der anderen Gruppe zu relativieren. Deshalb brauchen wir einen anderen Ansatz, die kompromisslose Verpflichtung zur Humanität beider Seiten“ und weiter: „Kein Kompromiss bei der Zerschlagung der Hamas. Kein Kompromiss beim Völkerrecht und beim Schutz der Zivilisten in Gaza, denn sie sind durch keinen Staat und keine internationale Macht geschützt. Diejenigen Juden und Palästinenser, die dies – allen Relativierungsvorwürfen zum Trotz – klar und deutlich fordern, machen den ersten winzigen Schritt. Sie schenken uns einen Hoffnungsschimmer, denn sie schaffen die Möglichkeit, dass wir uns ein gemeinsames Leben vorstellen und nicht gegenseitige Zerstörung“.

Theater zu machen in einem Bundesland, in dem sich 18 Prozent der Wähler*innen für die AfD entschieden haben und in einer Stadt, in der Menschen in ihrer Wohnung überfallen werden, weil sie jüdisch sind, kann nur heißen, sich gegen jede Form des Antisemitismus zu stellen, wachsam zu sein und entschieden. Denn: „Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden“ (Fritz Bauer)

Simone Sterr

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